Deutschland sieht sich mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Eine geringe Akzeptanz von regulatorischen Eingriffen, ein eher schleppender Ausbau der Ladeinfrastruktur und eine fragmentierte Industriepolitik behindern die Fortschritte in der Mobilitätswende. Diese strukturellen Probleme betreffen nicht nur einzelne Branchen, sondern ziehen sich durch die gesamte Wertschöpfungskette und beeinträchtigen die Elektromobilität als Ganzes.
Im dritten und letzten Teil unserer Analyse zur Elektromobilität im DACH-Raum geht es um die politischen Weichenstellungen und strukturellen Herausforderungen, die Deutschland bewältigen muss. Nachdem wir die Ausgangslage und internationale Vorbilder betrachtet haben, stehen nun konkrete Handlungsfelder im Fokus.
Handlungsfelder und politische Weichenstellungen für Deutschland
Um die aufgezeigten Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es gezielter und durchdachter Massnahmen. Deutschland steht vor der dringenden Aufgabe, sowohl strukturelle Defizite anzugehen und gleichzeitig langfristige Strategien zu entwickeln, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür müssen zentrale Handlungsfelder adressiert werden.
- Investitionen in Ladeinfrastruktur: Ein flächendeckendes, engmaschiges Netz von Ladepunkten ermöglicht eine breite Marktdurchdringung. Neben urbanen Zentren müssen auch ländliche Gebiete berücksichtigt werden. Das ist entscheidend, um die Akzeptanz und Verbreitung von Elektroautos zu steigern.
- Förderung von Talenten und Innovationen: Deutschland braucht eine gezielte Offensive in der tertiären und beruflichen Bildung mit einem Fokus auf Zukunftstechnologien. Diese Massnahme kann dem Fachkräftemangel entgegenwirken und Talente für Schlüsselindustrien sichern. Gleichzeitig ist eine verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung notwendig. Innovationen, insbesondere im Bereich Batterietechnologien, spielen eine zentrale Rolle. Fortschritte bei Recyclingtechnologien, etwa zur Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe aus gebrauchten Batterien und Elektrofahrzeugen, sind ebenfalls essenziell. Darüber hinaus sollte die Entwicklung innovativer Softwarelösungen, etwa für autonomes Fahren, stärker in den Fokus rücken.
- Stärkung der lokalen Wertschöpfung: Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Reduzierung der Abhängigkeiten von Importen, insbesondere aus China. Die Förderung regionaler Lieferketten und der Aufbau eigener Produktionskapazitäten für Akkus und Halbleiter in Deutschland können dazu beitragen. Auch der Abbau und die Verarbeitung von Lithium innerhalb des Landes würden die Abhängigkeit von externen Rohstofflieferanten verringern. Insgesamt bringt eine stärkere vertikale Integration in Schlüsselbereichen der Wertschöpfungskette nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern reduziert auch geopolitische Risiken.
- Senkung der Standortkosten: Die Reduzierung der hohen Standortkosten ist entscheidend, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Mehr als 300 Produktionsstätten für Kraftfahrzeuge sind über den ganzen Kontinent verteilt – 213 allein innerhalb der EU. Eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Automobilmarken innerhalb eines Konzerns sowie die Nutzung von Synergien bieten hier entsprechend grosses Potenzial. Auch die Optimierung von Produktionsprozessen – etwa durch Investitionen in energieeffiziente Technologien – kann erhebliche Einsparungen ermöglichen. Steuerliche Anreize für Unternehmen, die in energieeffiziente Produktionsanlagen investieren, könnten diesen Wandel beschleunigen. Zusätzlich ist eine engere europäische Zusammenarbeit innerhalb der Branche notwendig, um Lieferketten zu sichern und Standards zu harmonisieren.
- Konsumentenförderung: Steuerliche Anreize und Kaufprämien für Privatpersonen und Unternehmen können dazu beitragen, den Absatz von lokal produzierten Elektrofahrzeugen zu steigern, aber auch die heimische Produktion zu stärken. Allerdings müssen diese Massnahmen konsistent und langfristig angelegt sein, um stabile Verhältnisse und Vertrauen zu schaffen.
- Klare und verlässliche Rahmenbedingungen: Ein stabiles politisches Umfeld ist essenziell, um den Markt für Elektromobilität zu stärken. Technologieoffenheit darf dabei nicht als Vorwand genutzt werden, die Elektromobilität schlechtzureden und letztlich auszubremsen. Stattdessen sind klare, langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich, damit Unternehmen strategisch planen und investieren können.
Was unternimmt die Bundesregierung?Mit dem Haushalt für 2025 hat die Bundesregierung bereits erste wichtige Schritte eingeleitet. Die beschlossene Wachstumsinitiative umfasst sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Massnahmen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Zu den zentralen Elementen gehören Anreize für Unternehmen, in neue Anlagen und Produktionskapazitäten zu investieren, die Stärkung der Kapitalversorgung sowie der gezielte Abbau bürokratischer Hürden. Diese Massnahmen beginnen bereits, erste Erfolge zu zeigen, etwa durch eine beschleunigte Dynamik beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Ansiedlung von Zukunftsindustrien. Besonders relevant für die Elektromobilität sind die steuerlichen Verbesserungen für rein elektrische und emissionsfreie Fahrzeuge, die im Bundeskabinett beschlossen wurden. Dadurch wird es Unternehmen erleichtert, ihre Flotten umweltfreundlicher zu gestalten. Gleichzeitig sorgen die Entfristung der Stromsteuersenkung für produzierendes Gewerbe und geplante Massnahmen zur Senkung der Netzkosten dafür, dass sowohl die Industrie als auch private Haushalte bei den Stromkosten entlastet werden. Eine weiteres Instrument ist der neu geschaffene Rohstoff-Fonds, der Unternehmen mehr Unabhängigkeit von anderen Staaten ermöglicht. Damit wird nicht nur die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft gestärkt, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Lieferketten geleistet. Ergänzend dazu plant die Regierung steuerliche Anreize für ausländische Fachkräfte mit speziellen Qualifikationen und eine beschleunigte Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. |
Fazit: Deutschland muss handeln
Eine erfolgreiche Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen erfordert eine engere Abstimmung und effektivere Zusammenarbeit zwischen Politik und Industrie, um bestehende Standortnachteile wie hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und bürokratische Hürden gezielt anzugehen. Der Politik kommt dabei die entscheidende Rolle zu, klare, langfristige Rahmenbedingungen zu schaffen, die Unternehmen dringend benötigte Planungssicherheit bieten. Vor allem aber sollte die Politik darauf achten, keine widersprüchlichen Signale auszusenden, die Innovationen bremsen oder Investitionen hemmen könnten.
Nun liegt es an dem neu gewählten Bundestag und der neuen Koalitionsregierung, diese Massnahmen zügig und entschlossen umzusetzen. Die Mobilitätswende ist eine zentrale Zukunftsaufgabe, deren Erfolg massgeblich von einer vorausschauenden und kohärenten Strategie abhängt. Es ist an der Zeit, die Weichen in Richtung eines nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts zu stellen. Deutschland hat die Chance, den stotternden Wirtschaftsmotor wieder in Gang zu bringen und gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Diese Gelegenheit darf nicht ungenutzt bleiben.