Elektromobilität in der Schweiz

Elektromobilität in der Schweiz

Günstige Ausgangslage mit Luft nach oben

Die Schweiz steht bei der Elektromobilität auf einem soliden Fundament. Die Halbjahreszahlen für 2025 zeigen ein erfreuliches Wachstum bei den Neuzulassungen von Elektroautos. Die Zahl steigt sowohl im PKW-Bereich als auch bei Nutzfahrzeugen. Insbesondere die Spitzenposition der Schweiz im europäischen Vergleich bei Elektro-Lastwagen zeigt, dass alternative Antriebe zunehmend auch in Transport und Logistik angekommen sind. Das gut ausgebaute öffentliche Ladenetz liefert die notwendige Basis. Die Richtung stimmt – jetzt gilt es, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, um das volle Potenzial auszuschöpfen.

Zuhause laden: Der Schlüssel zum Durchbruch

Trotz vieler Fortschritte bleibt eines entscheidend: Wer ein Elektroauto besitzt, will es auch bequem laden können. Und das geschieht überwiegend dort, wo man wohnt. Genau hier liegt für viele das Problem. Rund drei Viertel der Schweizer Bevölkerung leben in Mehrparteienhäusern, ein Grossteil davon zur Miete. Nur ein Bruchteil hat Zugang zu einer privaten Ladestation. Dabei ist genau dieser Zugang oft ausschlaggebend für den Umstieg auf ein E-Auto. Laut einer Befragung des Instituts Sotomo besitzen 29 Prozent der Haushalte mit eigener Lademöglichkeit ein Elektroauto, ohne diese sind es gerade einmal ein Prozent. Das zeigt: Wer zu Hause nicht laden kann, entscheidet sich in der Regel gegen ein E-Auto. Die fehlende Ladeinfrastruktur ist insbesondere für Mieterinnen und Mieter ein entscheidendes Hindernis. Diese Hürde wird nun auch von der Politik erkannt.

Grünes Licht zum Heimladen für alle

In Deutschland besteht bereits seit 2020 ein gesetzlicher Anspruch auf eine geeignete Ladeinfrastruktur am Wohnort. In der Schweiz dagegen fehlte bislang ein solches „Recht auf Laden“. Eine entsprechende Motion, die der grünliberale Nationalrat Jürg Grossen 2021 eingereicht hatte, verjährte nach zwei Jahren aufgrund parlamentarischer Geschäftsüberlastung. Erst mit seinem neuen Vorstoss von 2023 („Laden von Elektroautos im Mietverhältnis und Stockwerkeigentum“) kam Bewegung in die Sache. Nachdem ihm der Nationalrat bereits zugestimmt hatte, folgte im Juni 2025 auch der Ständerat – trotz Ablehnung durch die Energiekommission und Bedenken des Bundesrats, der einen Rechtsanspruch skeptisch sah. Damit ist der Weg für eine gesetzliche Regelung geebnet: Ein jahrelanger Stillstand könnte enden und der dringend nötige Ausbau der Ladeinfrastruktur in Mietliegenschaften neuen Schub erhalten.

Betriebskosten: E-Autos sind klar im Vorteil

Der Zugang zu Ladeinfrastruktur im Wohnumfeld ist nicht nur eine Frage des Komforts, sondern auch der Kosten: Wer zu Hause laden kann, fährt deutlich günstiger. Laut dem Branchenverband Swiss eMobility liegen die jährlichen Betriebskosten eines Benziners bei rund 1292 Franken – ausgehend von einem Verbrauch von 7 Litern pro 100 Kilometer, einem Benzinpreis von 1,80 Franken und 10.000 gefahrenen Kilometern. Mit einem Elektroauto hingegen ist man – je nach Wohnort und Stromquelle – bis zu 1000 Franken im Jahr günstiger unterwegs. Das volle Sparpotenzial entfaltet sich jedoch nur, wenn zu Hause geladen werden kann – idealerweise mit Strom aus der eigenen Solaranlage. Wer hingegen auf öffentliches Laden angewiesen ist, zahlt mitunter bis zu 80 Rappen pro Kilowattstunde – und verliert so einen Grossteil des finanziellen Vorteils. Das zeigt, wie entscheidend der Zugang zur Ladeinfrastruktur im Alltag ist. Denn nebst dem Umweltaspekt ist die Wirtschaftlichkeit ein gewichtiges Argument für die Elektromobilität.

Förderpolitik: Föderale Vielfalt statt nationaler Einheitlichkeit

Im Gegensatz zu Deutschland, das lange mit milliardenschweren Kaufprämien wie dem „Umweltbonus“ den Absatz von Elektroautos massiv förderte, ist die Schweiz in puncto staatlicher Subventionen traditionell zurückhaltend. Bundesweite Fördermassnahmen gab es kaum – bis auf die temporäre Befreiung von der Autoimportsteuer, die Anfang 2024 auch aufgehoben wurde.
Stattdessen engagieren sich Kantone und Gemeinden mit gezielten Anreizen – etwa in Form von Steuererleichterungen, lokalen Förderprogrammen oder direkten Zuschüssen. Das führt zu einem föderal geprägten, stark uneinheitlichen Bild – von grosszügiger Beihilfe bis hin zu gar keiner Unterstützung.
Diese Fragmentierung spiegelt zwar das liberale Selbstverständnis und die dezentrale Struktur des Landes wider, erschwert jedoch die Planung und verunsichert potenzielle Käuferinnen und Käufer. Dabei sind klare, konsistente und kalkulierbare Rahmenbedingungen entscheidend, um ein investitionsfreundliches Umfeld zu schaffen. Schliesslich sollte, wer den Umstieg auf umweltfreundliche Technologien nicht aktiv fördern will, ihn zumindest nicht durch kleinteilige Regelungen oder steuerliche Nachteile unnötig erschweren.

Fazit: Die Voraussetzungen sind gut – jetzt heisst es, sie zu nutzen

Die Schweiz ist auf einem guten Weg, was die Akzeptanz und Verbreitung von E-Autos betrifft. Die Nachfrage steigt, das öffentliche Ladenetz ist gut ausgebaut, die Technologie überzeugt im Alltag. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in einem Land mit einem hohen Mieteranteil die Ladeinfrastruktur im privaten Wohnumfeld der entscheidende Hebel für mehr Elektromobilität ist.
Ein „Recht auf Laden“ kann den Ausbau privater Ladeinfrastruktur spürbar beschleunigen – und damit den Umstieg auf Elektromobilität für viele Menschen nicht nur praktikabler, sondern auch wirtschaftlich attraktiver machen. Es ist deshalb ein wichtiger Fortschritt, dass hier endlich ein rechtlicher Rahmen geschaffen wird, der das Laden zuhause erleichtert. Jetzt kommt es auf die konkrete Umsetzung an.


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